Schwarz-Gelb gräbt der WSV das Wasser ab. In den vergangenen Monaten hatte die derzeitige Bundesregierung stets bestritten, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) zerschlagen werden soll. Doch nun haben wir es Schwarz auf Weiß: Der fünfte und abschließende Bericht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), der jetzt vorliegt, bestätigt alle Befürchtungen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer plant massive Einschränkungen bei den Wasserwegen und einen Radikalumbau der WSV – ungeachtet der negativen Folgen für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze vor Ort, die bereits heute absehbar sind.
In der letzten Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause sollte das endgültige Konzept im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vorgestellt werden – vermutlich in der Hoffnung, dass sich das Thema über die Sommerpause quasi von selbst „erledigt“. Die Rechnung ist nicht aufgegangen; wegen der Beratungen zum Fiskalpakt hat der Ausschuss den Bericht zunächst von der Tagesordnung genommen – Ausgang offen.
Kern der Regierungspläne: Eine neue „Generaldirektion für Wasserstraßen und Schifffahrt“ mit Sitz in Bonn soll die Aufgaben der heutigen Wasser- und Schifffahrtsdirektionen in Kiel, Aurich, Hannover, Münster, Mainz, Würzburg und Magdeburg übernehmen. Sie sollen mittelfristig ausgehöhlt werden und nurmehr als Außenstellen der neuen Generaldirektion fungieren. Die 39 Wasser- und Schifffahrtsämter von Lübeck bis Aschaffenburg werden ebenfalls umstrukturiert, und ihre Zahl wird auf 30 reduziert. Insgesamt sollen die derzeit 12.500 Stellen und Planstellen (Stand 2010) bis 2023 auf weniger als 10.000 abgebaut werden. Beginn des Umbaus: Januar 2013.
Mit der von Schwarz-Gelb geplanten neuen WSV-Zentrale in Bonn entsteht ein bürokratischer Flaschenhals der Entscheidungen. Während für die Generaldirektion 400 neue Stellen geplant sind, verlieren die Standorte vor Ort ihre Funktion als Anlaufstelle für die regionale Wirtschaft, für Länder und Kommunen. Nach dem Willen von Bundesverkehrsminister Ramsauer soll künftig am Mittelrhein entschieden werden, was von Nordsee bis Passau richtig ist.
Seitdem sich Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag 2009 auf einen Umbau der größten Behörde im Geschäftsbereich des BMVBS verständigt hatten, treibt die Regierungskoalition das Projekt „WSV“ mit Hochdruck voran und sorgt damit für Unruhe und Verunsicherung nicht nur bei den Beschäftigten, sondern auch bei der Binnenschifffahrt und der verladenden Wirtschaft. Denn zusammen mit den Umbauplänen für die WSV präsentiert das BMVBS ein unausgewogenes Konzept für die Neukategorisierung der Wasserstraßen: Die knappen Haushaltsmittel sollen nach dem Willen der Koalitionäre künftig auf jene Wasserwege konzentriert werden, bei denen schon heute ein großes Güterverkehrsaufkommen besteht. Dort soll auch weiterhin Neu- und Ausbau erfolgen; die übrigen Wasserstraßen – und damit weite Regionen in Deutschland – würden nach diesem Konzept hingegen ins Abseits geraten. Prompte Folge: Die Wirtschaft hat ihre Investitionen in erheblichem Ausmaß zurückgestellt – ein Riesenschaden sowohl in wirtschaftlicher als auch in politischer Hinsicht.
Mit einem Griff in die schwarz-gelbe Trickkiste versucht Bundesminister Ramsauer nun, die bei Ländern, Wirtschaft und Verbänden höchst umstrittene Neuordnung des Wasserstraßennetzes durch die Hintertür umsetzen: Indem er mit dem Verwaltungsumbau Fakten schafft, versucht er die neue Netzstruktur zu begründen – für Instandhaltung und Neubau sind dann eben keine personellen Ressourcen mehr vorhanden. Und so bleibt Grundlage für den Umbau der Verwaltungs-struktur denn auch weiterhin die vielfach kritisierte und mehrfach überarbeitete Kategorisierung der Bundeswasserstraßen nach ihrer Transportfunktion.
Nach den massiven Protesten in den vergangenen Monaten hatte der Minister sich zuletzt darum bemüht, die Länder mit ins Boot zu holen: In einer jetzt vorliegenden Bund-Länder-Studie wurden ergänzende Kriterien für die Neuordnung des Wasserstraßennetzes formuliert. Am Ergebnis änderte dies jedoch nichts: Die von Schwarz-Gelb geplante neue Netzstruktur gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland. Alle Wasserstraßen sollen künftig in drei Kategorien eingeteilt werden: in ein Kernnetz, das wiederum in die Unterkategorien A, B und C aufgeteilt ist und dessen Erhalt Priorität hat, ein Nebennetz und in „sonstige Wasserstraßen“ ohne gewerblichen Güterverkehr – und ohne Perspektive für die Zukunft.
Von den Plänen sind insbesondere die Küstenländer und Ostdeutschland betroffen. Viele ihrer Wasserwege sollen in ihrer Bedeutung für den Gütertransport herabgestuft werden – es droht die Zweitklassigkeit. Gemäß den aktuellen Plänen wären an der Nordseeküste nur die Elbe von der Mündung bis nach Lauenburg sowie die Außenweser von der Mündung bis nach Bremerhaven als Vorrangwasserstraßen der Kategorie A eingestuft, nicht aber Unter- und Mittelweser und Ems. Damit werden wichtige Häfen vom Binnenland abgehängt – mit allen Folgen für die Wirtschaftsentwicklung im Binnenland. Ähnlich verhält es sich im Osten Deutschlands: Bis auf den Elbe-Havel-Kanals und die seewärtigen Zufahrten der Häfen Rostock und Wismar fallen die Wasserstraßen künftig bestenfalls in die neue Kategorie C – wenn sie nicht gleich als „sonstige Wasserstraßen“ deklassiert und also grundsätzlich nicht mehr ausgebaut werden.
Mit der jetzigen Verwaltungsreform umgeht Ramsauer – getrieben von der FDP, die seit Monaten eine Privatisierungskampagne gegen die WSV führt – gezielt Bundestag und Bundesrat. Wohl wissend, dass er hier mit seinen Plänen auf massiven Widerstand stoßen dürfte. Die SPD-Fraktion hat wiederholt kritisiert, dass die Umbaupläne nicht nur massiv Arbeitsplätze gefährden, sondern auch eine Katastrophe für die Schifffahrt und die von leistungsfähigen Transportwegen abhängige regionale Wirtschaft wären.
Denn die sog. Reform verdient ihren Namen nicht. Eine Neuorganisation um der Neuorganisation willen, ohne solide Wirtschaftlichkeitsanalyse und eine grundlegende Aufgabenkritik der WSV, ist nicht seriös und noch weniger zukunftsgerichtet. Und so wundert es denn auch nicht, dass das jetzt von der Regierungskoalition vorgelegte Konzept nicht mehr als ein Verschiebebahnhof ist: Während auf der einen Seite massiv Personal gestrichen werden soll, baut Schwarz-Gelb auf der anderen Seite neue Bürokratie auf.
Entscheidungen zur Organisationsstruktur wären grundsätzlich positiv zu sehen, wenn diese zur Stärkung der WSV in den Regionen beitragen würden: Eine kompetente und kundennahe WSV in der Fläche ist ein notwendiger Partner für die Wirtschaftsbeteiligten, für Länder und Kommunen. Berufs- und Freizeitschifffahrt sind gleichermaßen auf eine durchgehende Befahrbarkeit der Wasserwege und den zuverlässigen Ausbau von Schleusen, Häfen, Anlegestellen und Uferbefestigungen angewiesen. Hier hat sich die dreistufige Struktur der WSV insgesamt bewährt. Doch nach den Plänen der Bundesregierung werden Kompetenz und Nähe „wegrationalisiert“.
Die jetzigen Umbaupläne werden entscheidend vom kleinen Koalitionspartner FDP vorangetrieben, flankiert von Kritik des Bundesrechnungshofes, der wiederholt eine Verwaltungsreform der WSV angemahnt hatte. Die Liberalen setzen auch in der Verkehrspolitik auf eine radikale Marktstrategie und eine Privatisierung von Aufgaben. Sie wollen weite Teile der bisher von der WSV wahrgenommenen Tätigkeiten an private Unternehmen vergeben. Dazu gehören unter anderem sämtliche Ingenieursleistungen, der Stahl- und Wasserbau, aber auch die Unterhaltung von Wasserfahrzeugen. Nun soll ein verbindlicher „Vergabekatalog“ der WSV eingeführt werden. Alle Aufgaben, die darin Eingang erhalten, werden künftig von privaten Unternehmen erfüllt – Planstellen und Stellen für diese Tätigkeiten nicht mehr nachbesetzt. So werden Fakten geschaffen.
Dabei arbeitet die WSV mit einem Volumen von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr bereits heute hart am Vergabeoptimum. Schon jetzt ist das verbliebene Fachpersonal der WSV für Ausschreibungen, Vergaben und die Abnahme von Leistungen Dritter stark gebunden. Ein weiterer Ausbau der Vergabe wäre kontraproduktiv und würde die Verwaltung weiter schwächen; neben dem geplanten Personalabbau wäre die weitere Abwanderung von Fachkräften und damit ein erheblicher Verlust an Kompetenz innerhalb der WSV zu befürchten. Die Bundesregierung selbst musste einräumen, dass Vergaben im Vergleich zur Eigenerledigung bestenfalls kostenneutral sind und die zu erfüllenden Aufgaben unter Umständen erheblich verteuert werden. Das von der Koalition bemühte Kostenargument läuft damit ins Leere. Unterm Strich wird das Projekt „WSV“ zum Minusposten im Bundeshaushalt.
Auch politisch ist das Projekt längst zum Zankapfel geworden. Erst im Mai drohte die FDP dem Bundesverkehrsminister öffentlich mit einem eigenen Gesetzentwurf, sollte das Ressort nicht bald Ergebnisse liefern – und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat nun in vorauseilendem Gehorsam die Privatisierungsphilosophie der Liberalen übernommen und die Weichen für den Totalumbau der WSV gestellt. Dabei zeigt er sich bisher unberührt von der massiven Kritik, die seine Pläne seit Monaten selbst in den Reihen der Koalitionsabgeordneten erfahren. Durch Verwaltungshandeln will er auf diese Weise in der laufenden Legislaturperiode noch schnell durchpeitschen, was auf parlamentarischem Wege nicht umsetzbar wäre.
Die Debatte um die künftige Struktur der WSV ist denn auch bezeichnend für das Demokratieverständnis dieser Regierung. Der Deutsche Bundestag und seine Fachausschüsse wurden in den vergangenen Monaten mit immer neuen inhaltsleeren Berichten, Zeitplänen, Untersuchungen und Ankündigungen abgespeist. Bezeichnend, dass im jetzigen Bericht über drei Seiten hinweg darauf verwiesen wird, dass es doch der Haushaltsausschuss gewesen sei, der die Neuordnung angemahnt habe. Die Verantwortung für den Kahlschlag sollen andere übernehmen.
Doch die SPD wird dieses Foulspiel nicht mitspielen. Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich eine transparente Debatte über ein konsensfähiges Zukunftskonzept für eine der wichtigsten Behörden in Deutschland zuzulassen, das die Sicherung und die Weiterentwicklung der WSV ermöglicht. Die erhebliche Unterfinanzierung der Wasserstraßen im Bundeshaushalt kann mit dem jetzt vorliegenden Konzept jedenfalls nicht kompensiert werden. Um die besonderen Stärken dieses Verkehrsträgers optimal zu nutzen und die vorhandenen Kapazitätsreserven zu erschließen, brauchen wir eine solide und planbare Finanzierung der Wasserstraßen und eine angemessene Ausstattung der WSV mit Haushaltsmitteln.
Die von Schwarz-Gelb forcierten Überlegungen zur Ausweitung der Nutzerfinanzierung der Bundeswasserstraßen müssen transparent und tatsächlich ergebnisoffen geführt werden. Wer über Nutzerfinanzierung nachdenkt, muss die verschiedenen Funktionen – von der Wasserkraft über die Trinkwassergewinnung bis hin zum Tourismus – und alle Nutzer der Wasserstraße einbeziehen. Und: Die Wettbewerbssituation der Wasserwege gegenüber den Verkehrsträgern Straße und Schiene darf sich nicht verschlechtern.
Wir fordern einen Infrastrukturzustandsbericht als Basis für alle weitergehenden Entscheidungen zur Verkehrsinfrastruktur in Deutschland und um im parlamentarischen Verfahren mit allen Akteuren, insbesondere auch den Beschäftigten, über die notwendigen Prioritäten sprechen zu können. Eines steht schon heute fest: Ein funktionierendes Wasserstraßennetz wird es nicht kostenlos geben. Doch die Alternative wird – angesichts der Verkehrsprognosen in Deutschland und Europa – nur noch teurer werden: Güterverkehre insbesondere über die Straße würden exorbitant ansteigen und externe Kosten für erheblich zusätzliche Emissionen, Stau- und Unfallkosten schwer zu Buche schlagen, sollte der Verkehrsträger Wasserstraße nicht endlich ausgebaut werden. Jedes Güterschiff entlastet unsere Autobahnen und Schienenwege – im Interesse der Anwohnerinnen und Anwohner.
Die jetzigen Pläne würden die Entwicklung des Wasserstraßennetzes in Deutschland hingegen behindern, die Verkehrssicherheit gefährden und die Nutzung der Wasserwege teurer machen – zum Schaden unserer Umwelt, zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Wasserstraße und auf Kosten Tausender von Arbeitsplätzen.