„Inklusion hat viele Facetten, nicht nur der Bereich Schule muss mit einbezogen werden, beispielsweise zählen auch barrierefreie Bahnhöfe dazu. Denn alle Menschen sollen sich in sämtlichen Lebensbereiche barrierefrei bewegen und teilhaben können,“ berichtete der SPD-Landesvorsitzende und niederbayerische SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Pronold vom Aktiontag Inklusion. Der SPD-Bundestagsabgeordnete besuchte zunächst mit Robert Antretter, Bundesvorsitzender der Lebenshilfe e.V., die Mettener Werkstätten sowie das Tagesheim der Lebenshilfe. Abends fand die Diskussion „Inklusion – Mut zur Veränderung“ in Hengersberg statt.

„Die Arbeit in den Werkstätten gibt den Menschen Würde. Der wertvolle Beitrag den die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Behindertenwerkstätten leisten, muss aber auch wertgeschätzt werden,“ schilderte Florian Pronold die Eindrücke. Dort werden von 40 Mitarbeitern Stanzautomaten, Schweißroboter, Exzenter- und Hydraulikpressen bedient sowie Werkzeug hergestellt.

Abends diskutierten mit auf dem Podium Susanne Wieloch, Leiterin des Caritas-Kindergarten Bruder Konrad in Schwarzach, sowie Udo Karro, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Deggendorf. Ewald Strasser, SPD-Kreisvorsitzender, moderierte. Robert Antretter blickte mahnend in die NS-Zeit zurück. Dem Euthanasieprogramm der Nazis fielen mindestens 250.000 zum Opfer, da behindertes Leben zum  „unwürdigen Leben“ erklärt wurde. „Diese schlimmen Erfahrungen waren im Kern der Auslöser für die Gründung der Lebenshilfe. Deswegen sei auch die UN-Konvention für die Rechte der Behinderten richtig und besonders wichtig. „Inklusion und damit die Teilhabe an der Gesellschaft ist ein Menschenrecht,“ erläuterte Robert Antretter. Denn, wenn nach Artikel 1 der Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen von 1946 „alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten“ sind, bedeute das, dass eine gerechte Teilhabe möglich sein müsse. Allerdings hapere es an der Umsetzung. Vordringliches Ziel sei allerdings die Barrieren in den Köpfen der Menschen abzubauen, unterstrich Florian Pronold. Robert Antretter ergänzte, „Die UN-Konvention müssen wir noch Wirklichkeit werden lassen. Es muss überall selbstverständlich sein, dass Behinderte die gleichen Chancen haben, damit sie nicht mehr der Willkürlichkeit ausgesetzt werden können, sondern in der Gesellschaft fest verankert sind.

Dort wo der Versuch unternommen wurde, die UN-Konvention umzusetzen, sind Erfolge zu verzeichnen. Kinder lernen schnell, dass es normal ist, verschieden zu sein. Sie werden hilfsbereiter und lernen grundsätzlich menschlicher mit Minderheiten umzugehen.“ Dies zeigt auch das Beispiel des Caritas-Kindergartens Bruder Konrad in Schwarzach. Die Leiterin Susanne Wieloch berichtete, dass seit knapp zwölf Jahren immer wieder ein bis zwei behinderte Kinder unter den 84 Plätzen aufgenommen. Davon profitierten alle. „Wir – Kinder, Eltern und Personal – haben durchwegs positive Erfahrung gemacht.“

Ein großes Problem, berichteten erfahrene Lehrerinnen und Lehrer, dass die Lehramtsausbildung nicht auf Inklusion ausgerichtet sei und auch noch immer nicht verändert wurde. Sonderpädagogische Inhalte müssten in jedem Lehramtstyp eingeführt werden. Ebenso müssten die nötigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Von einem positiv verlaufenem Modellversuch konnte Grundschullehrerin Kathrin Glasschröder berichten. Im abgelaufenen Schuljahr leitete sie zusammen mit Eva Simmet, einer Lehrerin der St. Notker-Schule, eine Inklusionsklasse an der Theodor-Eckert-Grundschule in Deggendorf. 19 nicht behinderte Kinder wurden zusammen mit fünf behinderten Kindern in allen Fächern gemeinsam unterrichtet. „Am Anfang waren viele skeptisch. Die Eltern hatten Sorge ob es funktioniert. Aber nach einem Jahr harter Arbeit sind sie überzeugt vom Konzept und wünschen sich, dass es weiter geht. Die Kinder wissen auch gar nicht wer behindert ist, lediglich dass welche anders sind.“ Es gebe grundsätzlich keine homogenen Klassen. „Mittlerweile ist jede Grundschulklasse ist eine Inklusionsklasse, weil alle Kinder verschieden sind.“ Monika Herold-Walther, Schulleiterin der St. Notker-Schule, schilderte, dass es zwar immer Kinder gäbe, die besonderen Schutz bräuchten, wichtig sei aber, dass alle versuchen die UN-Konvention in allen Lebensbereichen umzusetzen und Inklusion mit tragen.

Im Bereich der Arbeitswelt bestünden seitens der Arbeitgeber noch Vorbehalte gegen Behinderte, stellte Moderator Ewald Strasser fest. Udo Karro berichtete, dass die Agentur für Arbeit sich grundsätzlich für jeden Menschen interessiert. Nicht erst seit Beschluss der UN-Behindertenrechtskonvention versucht Agentur für Arbeit für jeden eine Arbeitsstelle zu finden, eben auch für Behinderte. Die derzeit gute Situation auf dem Arbeitsmarkt sowie die niedrige Arbeitslosenquote, erleichtere dieses Vorhaben. Da die Arbeitgeber Schwierigkeiten haben, Fachkräfte zu finden, machen sie eher Zugeständnisse. „Die Agentur für Arbeit Deggendorf geht selbst mit gutem Beispiel voran. Zwölf Prozent unserer Beschäftigten sind Behindert. Auch Schwerbehinderte sind darunter.“ Die Agentur für Arbeit habe einen großen Etat zur Förderung von Rehabilitanden und Behinderten. Leider rufen Arbeitgeber die ihnen zustehenden Fördermittel zu wenig ab. Im Bereich der Agentur Deggendorf gebe es z.B. 300 Förderfälle pro Jahr.

„Es ist positiv, dass sich nicht nur Betroffene interessieren. Wir müssen alle für eine erfolgreiche Inklusion kämpfen,“ resümierte mit Blick auf die zahlreichen Teilnehmer Florian Pronold. „Die positiven Beispiele zeigen, dass es gelingen kann.“ Und ein ehemaliger Grundschulleiter bekräftigte: „Inklusion ist ein Menschenrecht, dort aufzuwachsen, wo man geboren ist. Deswegen muss die Gemeinschaftsschule kommen.“