Das Interview mit Florian Pronold ist am 13.06.2013 in der Immobilien Zeitung erschienen.
IZ: Herr Pronold, die SPD spricht sich für eine generelle Deckelung der Wohnungsmieten aus – bundesweit, sowohl bei Bestandsverträgen und bei Mieterwechseln. Was sagen Sie zu den Vorwürfen, Sie würden damit den Wohnungsmarkt in der Breite abwürgen?
Florian Pronold: Es ist Unsinn und Propaganda. Der SPD will Mietpreis-Exzesse begrenzen. Die finden ja nicht flächendeckend statt. Die Masse der Vermieter wird davon gar nicht betroffen sein. Die Begrenzung bei Wiedervermietungen auf 10% der Vergleichsmiete richtet sich an Vermieter, die beim reinen Mieterwechsel die Miete dramatisch erhöhen. Es stimmt auch nicht, dass wir damit Investoren aus dem Neubau vergraulen würden: Erstvermietungen von Neubauten sind von unserer Mietpreisbremse ausgenommen. Die Frage sollten sie aber an Frau Bundeskanzler Merkel und die CSU stellen. Die schreiben die ‚Mietpreisbremse’ zwar von der SPD ab, aber nicht richtig, weil sie anders als die SPD Neuvermietungen deckeln wollen.
IZ: Aber wenn dann der Mieter nach der ersten Neuvermietung wechselt – muss der Vermieter dann nicht vielleicht mit der Miete runter, weil die Vergleichsmieten im Umfeld viel niedriger sind?
Pronold: Nein. Die Mietpreisbremse der SPD greift nur bei Erhöhungen gegenüber dem Vormietvertrag. Deswegen kann es nach unserem Vorschlag gar nicht zu einer Absenkung der Miete kommen. Außerdem wollen wir das geltende Recht zur Vergleichsmiete an diesen Punkt gar nicht ändern: Wenn es bei hochpreisige Wohnungen keine Entsprechung im gültigen Mietspiegel gibt, bleiben – wie bisher – andere Möglichkeiten die Ortsüblichkeit festzustellen, z.B. anhand von drei vergleichbaren Objekten.
IZ: Die Mietpreisgrenzen sollen flächendeckend gelten, selbst in Gegenden wo gar kein Wohnungsmangel besteht. Warum?
Pronold: Das hält den bürokratischen Aufwand bei der Umsetzung der Mietrechtsänderung niedrig. In entspannten oder ausgeglichenen Märkten ist die Mietpreisgrenze ohnehin bedeutungslos: Sie wirkt nur dort, wo der Markt absolut versagt.
IZ: Ist es Marktversagen, wenn kaufkräftige Menschen für eine Wohnung am Ort ihrer Wahl bereit sind, mehr Geld auszugeben?
Pronold: Dagegen habe ich nichts. Wir wollen aber, dass Menschen nicht aus ihrem angestammten Wohnumfeld vertrieben und an den Stadtrand gedrängt werden. Uns geht es um die Alleinerziehenden, die Polizisten und die Krankenschwestern, die in der Stadt für uns alle arbeiten, die aber sich das Wohnen dort nicht mehr leisten können und Arbeitswege von mehr als 30 km zurücklegen müssen. Wohnen wollen wir nicht den freien Marktkräften überlassen. Selbst einem Hardcore-Liberalen dürfte es einleuchten, dass eine freie Preisbildung nur funktioniert, wenn Angebot und Nachfrageseite die gleiche Marktmacht haben. Deshalb braucht es die Leitplanken der sozialen Marktwirtschaft auch auf den Wohnungsmärkten.
IZ: Sind Sie eigentlich sauer auf Angela Merkel, weil sie Ihnen mit eigenen Vorschlägen zur Mietpreisbremse ein Unterscheidungsmerkmal zur Union weggenommen hat?
Pronold: ‚Bezahlbares Wohnen in der sozialen Staat’ ist und bleibt das Thema der SPD und es kommt bei den Menschen gut an. Deshalb wird die Kanzlerin nervös. Frau Merkel kündigt – wie vor vier Jahren – Wahlbetrug an. Sie stellt mit ihren Versprechungen gerade ungedeckte Schecks im Wert von über 40 Milliarden aus.
IZ: In der Immobilienbranche herrscht die Überzeugung: Je mehr Mietrestriktionen, desto weniger Neubau. Was halten Sie dagegen?
Pronold: Man kann das ganz einfach entkräften. Es gibt keinen nachweisbaren Zusammenhang von Neubautätigkeit und Verschärfungen bzw. Lockerungen des Mietrechts. Wohnungen werden gebaut, wenn sie damit eine angemessene Rendite erzielen lässt. Das ist mit der SPD weiterhin möglich.
IZ: Das engste Nadelöhr für eine Steigerung der Neubauaktivitäten ist vermutlich sowieso nicht das Mietrecht, sondern der lokale Grundstücksmarkt. Welche Durchgriffsmöglichkeiten hat eine Bundesregierung in diesem kommunalen Hoheitsgebiet überhaupt?
Pronold: Der Bund kann unterstützen, z.B. wenn er ein ehemaliges Kasernengelände für ein Konzept von sozialer Stadtentwicklung preisgünstiger zur Verfügung stellt. Wir wollen Bündnisse für Wohnungsbau vor Ort anregen, so wie Olaf Scholz in Hamburg das vorbildlich initiiert hat. Wenn alle Akteure der Wohnungswirtschaft vor Ort zusammenhelfen, auch die Kommunen mit ihrer Baulandpolitik gibt es Möglichkeiten neuen und auch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
IZ: Im SPD-Programm ist auch die Rede von einer Verpflichtung, bei Neubauprojekten 30% der Einheiten mit Sozialbindung zu versehen. Wie soll das durchgesetzt werden?
Pronold: 30% preisgebundene Wohnungen sind unsere feste Zielmarke, die genaue Quote hängt aber immer vom Projekt ab. Grundsätzlich geht es uns darum, bei Neubauten immer auch bezahlbaren Wohnraum in den Städten zu schaffen. So verhindern wir durch Wohnungspolitik die soziale Spannung und das Abdriften von Stadtteilen. Das wollen wir über Förderung aus dem sozialen Wohnungsbau, über intelligente Erschliessungskonzepte und Vereinbarungen vor Ort erreichen. Das können wir jedoch nicht erreichen, wenn Kommunen ihre Grundstücke allein nach dem Höchstbietprinzip vergeben.
IZ: Ja, aber der Bund kann die Kommunen doch zu nichts zwingen?
Pronold: Wir können Anreize schaffen, damit Fördermittel des Bundes nur für solche Projekte verwendet werden dürfen. Das wäre aber nur ein Teil eines Bündnisses für den Wohnungsneubau, das wir den Kommunen und der Wohnungswirtschaft anbieten. Durch Wohnungspolitik wollen wir den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt erhalten. Also zum Beispiel Neubau fördern, wenn er einen Nutzen für uns alle bringt, Stichworte: Durchmischung von Wohnquartieren, altersgerechtes Wohnen, Energieeffizienz.
IZ: Das wirkt, als würde es sehr bürokratisch in der Umsetzung.
Pronold: Kommt darauf an, wie man es macht. Die Erfahrung beispielsweise bei der Umsetzung des Programms ‚Soziale Stadt’ zeigt etwas anderes. Da kam viel Gutes heraus, weil Menschen, Behörden und Institutionen aus unterschiedlichen Bereichen gezwungen waren, sich miteinander über Ziele und Umsetzung vor Ort zu verständigen.
IZ: Es gäbe aber doch einen viel einfacheren Weg, den Neubau zu pushen: Sie erhöhen die Abschreibungssätze!
Pronold: Schwarz-gelb verspricht das jetzt für die nächste Wahlperiode. Warum haben sie es in den vier Jahren dieser Wahlperiode nicht umgesetzt? Wir Sozialdemokraten sagen nicht nur, was wir wollen, sondern auch, wie es bezahlt werden soll. Das vermisse ich bei anderen Parteien. Steuerliche Anreize müssen zielgenau sein. Es ist verantwortungslos mit der Gießkanne Geld übers Land zu verteilen und weitere Schulden zu machen. Mittel müssen wenn dann zielgenau für Neubau in Brennpunkten eingesetzt werden.
IZ: Da würden höhere Einnahmen aus der Vermögenssteuer doch hilfreich sein, oder?
Pronold: Ein handlungsfähiger Staat braucht Steuereinnahmen. In fast allen Ländern gibt es eine höhere Vermögensbesteuerung als in Deutschland. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Das Bedrohungsszenario welches in der Wohnungswirtschaft aufgebaut wird, ist lächerlich. Bis 1998 gab es eine Vermögensteuer in Deutschland und trotzdem wurden Wohnungen gebaut. Die Freibeträge für normale Vermieter sind in unserem Konzept sehr hoch. Wir werden auch darauf achten, das Wohnungsbauunternehmen durch unsere Vermögensteuer nicht in ihrer Liquidität so beeinträchtigt werden, dass das zur Investitionsbremse wird.
IZ: Man konnte den Zusatzaufwand aus der Vermögensteuer für die Unternehmen auch durch höhere Abschreibungssätze kompensieren….
Pronold: Könnte man…
IZ: Noch ein Wort zum zweiten Dauerbrenner, der Förderung der energetischen Modernisierung. Das Land Hessen hat soeben im Bundesrat einen neuen Anlauf gestartet, die seit Jahren diskutierte 10%ige Sanierungs-AfA einzuführen. Der letzte Versuch ist in der SPD-dominierten Länderkammer abgeschmettert worden. Warum eigentlich – Sie sind doch sicherlich auch für’s Energiesparen?
Pronold: Die SPD war zu einer steuerlichen Lösung bereit. CSU-Bauminister Ramsauer versuchte aber, die Kosten von seinem Etat auf die Länder abzuwälzen. Dieses Schwarze-Peter-Spiel des schwarzen Peters wollten wir nicht mitspielen. Parteipolitisches Geplänkel bringt nicht mehr Klimaschutz.
IZ: Ihr Alternativ-Vorschlag für die energetische Sanierung?
Pronold: Heißt vor allem mehr Geld für KfW-Förderung, die wir auch für einzelne Teilsanierungen vergeben wollen. Das führt in der Breite zu mehr CO2-Einsparung, als wenn man jeden Wohnungseigentümer auf ein Mal zu Komplettsanierungen zwingt, bei der Aufwand und CO2-Einsparung in keinem Verhältnis wirtschaftlichen mehr stehen.
IZ: Also keine generelle Sanierungs-AfA mit der SPD?
Pronold: Eine steuerliche Förderung solcher Maßnahmen schließen wir nicht grundsätzlich aus. Aber wir suchen noch nach dem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis.
IZ: Vielen Dank für das Gespräch!
Pronold: Sehr gerne.