Das Interview mit Florian Pronold ist am 27.06.2013 in der Verkehrsrundschau erschienen.
Sie sind ja im Schattenkabinett von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück für Verkehr zuständig. Warum wollen Sie Verkehrsminister werden?
Ich bin der felsenfesten Auffassung, dass wir die Zukunftsaufgaben in Deutschland nur bewältigen, wenn wir einen neuen gesellschaftlichen Konsens für Infrastruktur schaffen. Bei Forschung und Bildung ist von allen akzeptiert, dass wir mehr Investitionen brauchen. Die gleiche Überzeugung müssen wir in den Köpfen und Herzen für Infrastruktur verankern. Das ist mein Ziel und das möchte ich selbst als Verkehrsminister in die Tat umsetzen.
Das Ressort wäre also für Sie und für die SPD ein Wunschressort?
Auf jeden Fall. Infrastruktur ist ein SPD-Thema, wir sind die Infrastrukturpartei. Das Verkehrsressort hat den höchsten Investitionshaushalt, Verkehrspolitik ist gelebte Wirtschaftspolitik. Aus diesem Schlüsselressort könnte man wirklich etwas machen. Schwarz-gelb unter Ramsauer hat dieses Ministerium vier Jahre lang für bloße Ankündigungspolitik missbraucht – passiert ist nicht.
Was können Sie besser als Ramsauer?
Als erstes würde ich nicht immer jammern und klagen darüber, dass mir der Finanzminister zu wenig Geld gibt und ständig anderen die Schuld zu schieben. Ich würde dafür Sorge tragen, dass die Haushaltsgelder auch im Infrastrukturbereich eingesetzt werden. Zweitens muss die bestehende Nutzerfinanzierung etwa durch den LKW auch dazu führen, dass diese Gelder in die Infrastruktur fließen.
In die Infrastruktur oder in die Straße?
In die Infrastruktur. Den Herausforderungen der Zukunft wird es nicht gerecht, wenn wir die Verkehrsträger nebeneinander betrachten und finanzieren. Wenn Sie in einem Transitland Deutschland Güterverkehr effektiv und gut organisieren wollen, dann ist es im Interesse der Straße, wenn auch eine deutliche Ausweitung des Güterverkehrs auf Schiene und Wasserstraße stattfindet.
Gibt’s auch ein Lob für den Amtsinhaber?
Ich habe das ganz oft gefragt und in jeder Haushaltsrede versucht, eine Bilanz von Herrn Ramsauer zu finden. Eins kann man mit Sicherheit sagen: Er hat die Energiewende vorangebracht, weil er soviel heiße Luft in seiner Regierungszeit abgesondert hat. Wenn man die in Energie umwandeln könnte, könnte man sofort alle Kernkraftwerke abschalten. Mit meiner Einschätzung stehe ich da nicht allein: Ich habe noch nie eine so große Unzufriedenheit der Fachwelt mit einem Bundesverkehrsminister festgestellt wie beim aktuellen Minister.
Wie wollen Sie eigentlich einen Spediteur überzeugen? Für viele Unternehmer ist rot-grün immer noch ein Schreckgespenst.
Kluge Unternehmer glauben nicht an Gespenster, sondern schauen sich Fakten an. Fakt ist, dass in der großen Koalition es die sozialdemokratischen Minister waren, die die Konjunktur angekurbelt haben und zusätzliches Geld für die Infrastruktur zur Verfügung gestellt haben. Wir sind die einzige Partei, die ein geschlossenes Konzept zur Weiterentwicklung und Finanzierung der Infrastruktur hat. Viele Unternehmer haben unsere Konzepte nicht gelesen, das zeigen auch die Ergebnisse des VerkehrsRundschau-Wahlbarometers. Dazu kann ich nur einladen.
Mautausweitung – keine Thema, das Unternehmer vom Hocker reißt.
Unternehmer sind meiner Erfahrung nach realistische Leute. Zum Realismus gehört, dass man sich nicht anlügen lässt – weder im Geschäftsleben noch in der Politik. Die SPD macht ein ehrliches Angebot: Wir bringen tatsächlich wesentlich mehr Geld in die Infrastruktur als Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg – und gegenfinanzieren wollen wir das durch Haushaltsmittel, durch höhere Steuereinnahmen und die Ausweitung der LKW-Maut.
Wollen Sie eigentlich Verkehr von der Schiene auf den LKW verlagern?
Ich erinnere hier an Peter Ramsauer, der in seiner ersten Rede als Minister im deutschen Bundestag verkündet hat, dass aller Zuwachs an Güterverkehr auf der Schiene stattfinden soll. Da würde ich sagen: Den haben sie mit dem Klammerbeutel gepudert! Ich kenne keinen Experten, mag er noch so grün angehaucht sein, der sagt: das geht. Eine realistische Betrachtung ist: Ein Großteil des Güterverkehrs wird auch in Zukunft auf der Straße stattfinden, auch ein relevanter Teil des Zuwachses wird dort stattfinden. Aber: Wir bekommen die Probleme auf der Straße nur in den Griff, wenn wir ideologische Frontstellungen aufgeben und ehrlich dafür Sorge tragen, dass die Kapazitäten der Wasserstraße und der Schiene ausgeweitet werden. Bevor es jedoch dafür kein realistisches Szenario gibt, wie man diese Ausweitung hinkriegt, wird es keine Schwerpunktinvestitionen in diesem Bereich geben.