Bundesverkehrsminister Ramsauer und der bayerische Ministerpräsident Seehofer haben sich in den letzten Wochen immer wieder für die Einführung einer Pkw-Maut ausgesprochen. Am 11.08.2013 hat Seehofer in einem Interview mit der Bild am Sonntag die Einführung einer Pkw-Maut für ausländische Autofahrer sogar an seine Unterschrift auf einen möglichen Koalitionsvertrag geknüpft. Dies zeigt, wie zerstritten Schwarz-Gelb bei der Frage Pkw-Maut ist. Die Bundeskanzlerin hat sich immer wieder öffentlich von den Plänen distanziert. Auch die FDP lehnt sie ab. Der hessische Verkehrsminister Florian Rentsch (FDP) bezeichnet die Idee sogar als „humoristischen Vorschlag“. Um vom Streit in der schwarz-gelben Koalition abzulenken, greift Ramsauer sogar zu einer dreisten Lüge. Er behauptet, alle Verkehrsminister der Bundesländer unterstützen seine Pläne. Die Wahrheit ist: Weder die Länderminister, noch die CDU und der Koalitionspartner FDP sind für eine Pkw-Maut. Verkehrsminister Ramsauer unterlegt die Forderung nach Einführung einer Pkw-Maut mit weiteren Lügen, in dem er behauptet, eine Pkw-Maut nur für Ausländer sei möglich und mit einer Pkw-Maut gebe es mehr Geld für den Straßenbau. Ramsauer erweckt zudem den Eindruck, dass deutsche Autofahrer durch eine Maut nicht benochlastet werden, weil sie dafür an „anderer Stelle“ entlastet werden können. Pinochio ist ein ehrlicher Waisenknabe im Vergleich zum CSU-Verkehrsminister. Sogar der stellvertretende Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, musste in einem Beitrag in der Passauer Neuen Presse vom 10.01.2013 einräumen: „Geld für Straßen kommt nur rein, wenn der heimische Autofahrer zahlt“.
Die gängigsten Behauptungen der Pkw-Maut Befürworter sich leicht zu widerlegen:
Behauptung 1: Eine Pkw-Maut sei gerecht, weil so auch die ausländischen Fahrzeuge an den Kosten für den Straßenbau beteiligt werden.
Der Anteil ausländischer Kfz auf deutschen Straßen wird überschätzt. Von 100 Autos sind gerade mal ganze fünf mit einem ausländischen Kennzeichen unterwegs. Der Eindruck in Urlaubszeiten auf grenznahen Autobahnen täuscht über die Ganzjahressituation hinweg. Mit dem Geld, das eingenommen werden könnte, wären gerade mal die Verwaltungskosten (Einrichtungs-, Unterhalts- und Verwaltungskosten für die Maut-Infrastruktur) gedeckt. In Österreich liegen diese Verwaltungskosten bei fast 9% der Pkw-Maut Einnahmen. Unterm Strich zahlen die ausländischen Pkw damit nur die Bürokratiekosten, mehr Geld für den Straßenbau bleibt da nicht übrig.
Im Unterschied zu Pkw‘s verursachen Lkw‘s massive Schäden an Straßen und Brücken. Ein Lkw schädigt eine Straße 60.000 Mal mehr als ein Pkw. 30 Prozent der schweren Lkw‘s kommen aus dem Ausland und nutzen Deutschland als Transitland. Eine Ausweitung der Lkw-Maut ist deshalb der richtige Weg, weil die Hauptverursacher der Straßenschäden diese auch bezahlen müssen.
Behauptung 2: Die deutschen Autofahrer müssen im Ausland auch Maut be-zahlen. Da ist es nur gerecht, wenn die Ausländer in Deutschland auch Maut bezahlen müssen.
Der Meinung kann man sein. Die Wahrheit ist aber: Dann werden vor allem die deutschen Autofahrer zur Kasse gebeten. In allen europäischen Ländern zahlen die Ausländer nur dann eine Pkw-Maut, wenn auch die Einheimischen entsprechend herangezogen werden. Für Deutschland bedeutet das: Eine Maut wird zu 95% von den deutschen Autofahrern bezahlt, das schreibt das europäische Recht zwingend vor.
Was oft vergessen wird: Ausländische Kfz tanken auch in Deutschland und beteiligen sich damit indirekt über die Energiesteuer (früher: Mineralölsteuer) an den Kosten für den Straßenbau, der in Deutschland aus Steuermitteln bezahlt wird.
Behauptung 3: Die Pkw-Maut könne so eingeführt werden, dass für die deutschen Autofahrer keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Diese Behauptung ist eine dreiste Lüge. Eine Entlastung für deutsche Autofahrer über andere Steuern (z.B. Kfz-Steuer) ist europarechtlich unzulässig. Denn nach europäischem Recht dürfen Bürgerinnen und Bürger anderer EU-Staaten nicht anders behandelt werden als Deutsche. Dies belegt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages („Europarechtliche Spielräume für die Einführung einer PKW-Vignette“, WD 146/11, 13.09.2011). Die Bundesregierung hat in einer Antwort auf die Kleine Anfrage „Zukunft des Mautkonzeptes in Deutschland“ der SPD-Fraktion geantwortet: „Kompensationen für deutsche Autofahrer in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einführung einer Pkw-Maut bzw. Pkw-Vignette könnten einen Verstoß gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot darstellen“ (Bundestagsdrucksache 17/11098). Ministerpräsident Seehofer ist das gleichgültig. In einem „Bild“-Interview sagte er: „Ich will eine Maut, die den deutschen Autofahrer nicht belastet. Notfalls muss dafür das EU-Recht geändert werden.“ Damit führt er die Leserinnen und Leser wissentlich in die Irre: Eine Vignette oder eine Maut gibt es nur für alle oder für keinen. Die Melkkühe sind also wieder einmal besonders die Pendlerinnen und Pendler, die einen langen Weg zur Arbeit haben und auf ihr Auto angewiesen sind. Die CSU will sie dafür bestrafen, dass sie ihrer Heimat treu bleiben wollen und weite Wege zur Arbeit in Kauf nehmen.
Im übrigen: Wenn die Behauptung richtig wäre und es tatsächlich eine Entlastungsmöglichkeit für deutsche Autofahrer geben sollte, dann bleibt ja am Ende kein Geld für den Ausbau und Erhalt der Infrastruktur. Die Deutschen bekommen alles über die KfZ-Steuer zurück, aber die ausländischen Kfz alleine bringen kaum Geld ein, weil die Verwaltungskosten von rund 9% die Einnahmen von 5% ausländischer Pkws weitgehend auffressen.
Behauptung 4: Eine Pkw-Maut sei notwendig, um genügend Geld für den Straßenbau zur Verfügung zu stellen.
In Deutschland sind viele Straßen und Brücken in einem maroden Zustand und müssen dringend saniert werden. Die Mittel reichen dazu nicht aus. Verkehrsminister Ramsauer hat es in seiner bisherigen Amtszeit nicht annähernd geschafft, genug Geld bereit zu stellen. Obwohl aus dem Verkehrssektor über die Zugdividende der Bahn und die Luftverkehrsabgabe 1,5 Mrd. Euro Mehreinnahmen generiert wurden, floss davon nur etwa ¼ in die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, ¾ wurden im Haushalt für Klientelgeschenke verbraten.
Jetzt soll nach den Vorstellungen von Minister Ramsauer also eine Pkw-Maut das notwendige Geld für den Straßenbau bringen. Welche Varianten kommen in Frage, um ansatzweise die erforderlichen Mittel zu erhalten? Die „Ausländer-Vignette“ ist europarechtlich nicht möglich und selbst wenn sie es wäre, brächte sie kaum Geld. Eine allgemeine Vignette für alle Kfz, ähnlich wie zum Beispiel in der Schweiz oder Österreich (Beispiel: 1 Jahr 100 Euro / 2 Monate 30 Euro / 10 Tage 10 Euro), bringt nach Berechnungen des ADAC einen Finanzierungsüberschuss von 600 Millionen Euro. Dies ist nicht ausreichend. Richtig viel Geld kann nur über eine streckenbezogene Maut (wie sie bereits bei den Lkw praktiziert wird) eingenommen werden. Der ADAC kommt in einer Beispielrechnung für eine Standardmaut (5 Cent je gefahrener Kilometer) zu dem Ergebnis, dass mit dieser Variante ein Betrag von 5,1 Mrd. Euro erwirtschaftet werden könnte. Bei einer durchschnittlichen Fahrleistung kämen damit Belastungen von 600 bis 700 Euro auf einheimische Autofahrerinnen und Autofahrer zu.
Wenn Verkehrsminister Ramsauer den Erhalt unserer Verkehrsinfrastruktur über eine Pkw-Maut finanzieren will, dann muss er ehrlich sagen, dass erstens die deutschen Autofahrer mit einbezogen werden müssen und zweitens nur eine für die Autofahrer sehr teure streckenbezogene Maut ausreichend Geld einbringt.
Behauptung 5: Eine Pkw-Maut würde zu keiner Beeinträchtigung bei der Verkehrssicherheit führen und hat keine Auswirkungen auf die Umwelt.
Aufgrund des speziellen Nutzerverhaltens von Pkw-Fahrern wird es bei einer Pkw-Maut zu sogenannten Ausweichverkehren kommen, d.h. viele Autofahrer werden auf Bundes- und Landstraßen ausweichen. Die Folgen dieser Mautausweichverkehre wären: längere Wege, mehr Staus, deutlich mehr Verkehrstote, denn die Landstraße ist die gefährlichste Straße, sowie erhöhter Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß. Die Ausweichverkehre sorgen für zusätzliche Belastung durch Lärm und Schadstoffe der Anwohnerinnen und Anwohnern in vielen Ortsdurchfahrten und Wohngebieten.
Ökologisch gesehen ist jede Variante einer Pkw-Maut ungünstig: Eine Vignette kann als Flatrate fürs Vielfahren verstanden werden und schert darüberhinaus auch noch Spritfresser und sparsame Autos über einen Kamm. Eine streckenabhängige Maut führt – noch stärker als bei der Vignette – zu Ausweichverkehren mit den bereits beschriebenen negativen Konsequenzen.
Fazit: Die Einführung einer Pkw-Maut oder Vignette benötigt einen ungeheuren bürokratischen Aufwand, der in keinem Verhältnis zu den Einnahmen steht. Sie ist sozial ungerecht, weil sie vor allem diejenigen trifft, die in ländlichen Gebieten wohnen und einen langen Weg zur Arbeit haben. Sie ist auch ökologisch falsch, weil sie spritsparende Autos benachteiligt und darüberhinaus zu Ausweichverkehren mit erheblichen negativen Folgen führt. Eine Pkw-Maut bringt nur neue Probleme mit sich und ist letztlich nur ein Modell mit dem Autofahrerinnen und Autofahrer abkassiert werden. Der Aufbau und der Erhalt unserer Verkehrsinfrastruktur muss anders finanziert werden.
„Eine leistungsfähige Infrastruktur ist das Rückgrat einer starken Wirtschaft“ – Unsere Vorschläge zur Finanzierung der Infrastruktur
In unserem Regierungsprogramm fordern wir eine „belastbare Finanzierungsgrundlage“, um das verlässliche Funktionieren des Verkehrsnetzes als Ganzes zu gewährleisten: „Unsere Verkehrssysteme sind heute chronisch unterfinanziert – es gelingt immer weniger die Substanz zu erhalten. Wir wollen ausreichend Mittel zu-verlässig für die Bundesverkehrswege zur Verfügung stellen“ (SPD-Regierungsprogramm, Seite 33). Auch alle Fachleute sind sich einig, dass wir für die Infrastruktur mehr Geld brauchen Wir wollen deshalb deutlich mehr in die Verkehrsinfrastruktur investieren und zu diesem Zweck den Investitionsetat für die Bundesverkehrswege bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode stufenweise auf 14 Mrd. € aufstocken. In einem ersten Schritt steigern wir die Infrastrukturinvestitionen um 20 Prozent auf 12 Mrd. Euro, gegenfinanziert durch die Mehreinnahmen aus der Erhöhung des Spitzensteuersatzes und durch die Einführung einer Vermögenssteuer. In einem zweiten Schritt weiten wir die LKW-Maut auf Bundesstraßen aus, was voraussichtlich 2 Mrd. Euro einbringt. Diese Ausweitung trägt dem Verursacherprinzip Rechnung, weil ein LKW eine Straße 60.000 Mal mehr schädigt als ein Pkw.