Herr Pronold, wollen Sie Ihrem neuen Koalitionspartner CSU in der Diskussion um die Streichung von bayerischen Lehrer-Stellen nicht beiseite springen?
Florian Pronold: Mit Sicherheit nicht. Koalitionspartner sind wir bisher nur in Berlin, aber nicht in München. Zumindest noch nicht.
SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher fährt doch schon einen Schmusekurs. Haben Sie sich da nicht abgestimmt?
Pronold: Markus Rinderspacher hat Recht. Es bringt nichts, Streit um des Streits Willen zu führen. Was die Bundesthemen und einige Landesthemen angeht, gibt es einen größeren Vorrat an Gemeinsamkeiten.
Aber nicht bei den Lehrer-Stellen?
Pronold: In der Tat. Da geht es um einen klar erkennbaren Wahlbetrug der CSU. Seit Jahren trifft diese Staatsregierung, wenn es um Lehrer-Zahlen geht, keine überprüfbaren Aussagen. Jetzt wird offenkundig, dass der Kultusminister versehentlich die wahren Zahlen zum geplanten Lehrer-Abbau ausgeplaudert hat, also mehr als 800 Lehrer-Stellen wegfallen werden. Damit wird ein ganz zentrales Wahlversprechen von Horst Seehofer gebrochen.
Seehofer hat nur versprochen, dass die Stellen im Bildungssystem bleiben. Sie wandern nur aus dem Schul- in den Hochschulbereich.
Pronold: Die CSU hat versprochen, trotz des Rückgangs der Schülerzahlen die Lehrer-Zahlen gleich zu halten und so vorhandene Engpässe zu schließen. Dieses Versprechen wird gebrochen, wenn man Stellen in den Hochschulbereich verschiebt. Ich erwarte, dass endlich konkrete, belastbare Zahlen vorgelegt werden, und dass Schluss ist, mit der Geheimniskrämerei. Kein Mensch in Bayern weiß, wie viele Lehrer-Stellen es tatsächlich gibt. Und kein Mensch weiß, wie viele Schulstunden tatsächlich ausfallen – wenn man mit den Betroffenen vor Ort spricht, gibt es dort sehr großen Ärger, und wenn man im Kultusministerium nachfragt, dann tut man so, als ob es dieses Problem gar nicht gäbe.
Und wenn es nun bei der Verschiebung bleibt, so wie die CSU es plant?
Pronold: Man kann nicht Lehrerstellen verschieben in den universitären Bereich. Wir müssen sowohl Lehrerstellen zusätzlich schaffen, als auch den Universitäten mehr Mittel zur Verfügung stellen.
Seehofer hat bei der Energiewende den Eindruck erweckt, dass bayerische Windkraft und bayerisches Biogas schon die halbe Miete sind.
Hat er zu viel versprochen? Oder bremst Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bayerische Interessen aus?
Pronold: Horst Seehofer ist selbst massiv gegen die Windenergie in Bayern zu Felde gezogen. Er hat für eine Klausel im Koalitionsvertrag zu den Abstandsflächen gekämpft, die in Bayern Windenergie fast unmöglich macht. Mit Interesse nehme ich zur Kenntnis, dass die CSU-Fraktion Horst Seehofer widerspricht und mehr Windkraft vor Ort zulassen will. Das wäre eine erneute Kehrtwende der CSU.
Aber Bayerns Interessen beim Biogas – etwa, dass bestehende Anlagen, die grundlastfähig gemacht werden, weiterhin die alte, höhere Förderung bekommen – sind bei der Klausur des Bundeskabinetts in Meseberg nur in einer Protokollnotiz festgehalten worden.
Pronold: Ich rechne da trotzdem mit einer für Bayern positiven Einigung im Gesetzgebungsverfahren. Ein Viertel des nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz erzeugten Stroms kommt in Bayern aus Biogas. Es ist nun die Frage, wie man den grundlastfähig macht – schließlich wäre es ökologisch unsinnig, die Biogasanlagen nur wegen der alten Fördersätze einfach so wie bisher weiterlaufen zu lassen. Außerdem leisten wir so der Vermaisung unserer Heimat Vorschub. Die Energiewende muss bezahlbar bleiben. Biogas ist nun einmal die teuerste Form der Energieerzeugung bei den Erneuerbaren. Deshalb ist eine Kostendeckelung sinnvoll.
Von Bürgernetzwerken und weitgehender Energie-Autarkie ist aber kaum mehr die Rede, oder?
Pronold: Wir brauchen soviel Energieerzeugung vor Ort wie möglich. Der Industriestandort Bayern benötigt aber grundlastfähigen Strom. In den nächsten 20 bis 30 Jahren kann der Bedarf an sicherer Energieversorgung für Gewerbe und Industrie nicht allein mit dezentralen Lösungen gewährleistet werden. Der Atomausstieg in Bayern gelingt nur, wenn wir die Windenergie aus den Offshore-Windparks nach Bayern bekommen. Und mal ehrlich: Außer großen Ankündigungen der CSU ist in Bayern ja nichts passiert, bis heute fehlt hier jedes umsetzbare Konzept. Herr Seehofer heuchelt ja sogar Ahnungslosigkeit vor wenn es um die geplante Stromtrasse in Bayern geht. Dieser Trasse hat die CSU als Mitglied der schwarz-gelben Regierungskoalition in Berlin zugestimmt.
Aber einfach Kohle zu verbrennen, wie in dem von Ihrer Parteifreundin Hannelore Kraft regierten Nordrhein-Westfalen, ist doch auch keine Lösung.
Pronold: Natürlich müssen wir den Pfad der Erneuerbaren Energien weitergehen. Aber gleichzeitig müssen wir für eine verlässliche Netzstabilität sorgen. Das schaffen wir vorerst nur über konventionelle Kraftwerke. Die bayerische Staatsregierung hat zwar groß angekündigt, man werde auf neue Gaskraftwerke setzen – was durchaus ökologisch sinnvoller wäre als Kohlekraftwerke. Nur ist bisher nicht passiert. Kohlekraft ist ein Übergang, um den Atomausstieg hinzubekommen.
Die Klimaziele schafft man so allerdings nicht.
Pronold: Doch, aber nur, wenn wir im Verkehrs- und im Gebäudebereich noch einen Zahn zulegen.
Die Finanzierung der energetischen Gebäudesanierung findet sich noch nicht einmal mit Geld unterlegt im Koalitionsvertrag.
Pronold: Wir haben den Energie- und Klimafonds, der immer noch auf sehr hohem Niveau Förderung betreibt. Bald müssen wir verhandeln, wie es dort weitergeht. Diese Ziele haben aber eine so hohe Priorität, dass ich mir über die Fortführung keine Sorgen mache. Ich sage aber auch ganz deutlich: Das ist nicht nur eine Frage von Geld, sondern auch eine Frage intelligenter Lösungen.
Zum Beispiel?
Pronold: Bevor ich eine Eigenheimsiedlung aus den 70-er Jahren für teures Geld mit Dämmung versehe, um eine Kohlendioxid-Einsparung zu erreichen, kann es klüger sein, die Siedlung an ein Blockheizkraftwerk anzuschließen, das mit regenerativen Energien betrieben wird. Den effizienten Einsatz von Geld zu steuern, ist auch Aufgabe meines Bau- und Umweltministeriums.
Interview mit der Passauer Neuen Presse (erschienen am 31.01.2014)