Deutschland ist ein bedeutendes Transitland. Im Herzen Europas gelegen, verbindet es die wichtigsten Wirtschaftsregionen Europas mit den leistungsfähigen Nordseehäfen und sichert dadurch die Versorgung von Menschen und Industrie mit Gütern. Was wirtschaftlich von Vorteil ist, ist mitunter auch mit Nachteilen verbunden. Denn die Verkehre belasten nicht nur die Infrastruktur, sondern auch die Menschen, die an der Infrastruktur wohnen.
Entlang von besonders intensiv befahrenen Bahnstrecken geht diese Akzeptanz aber immer mehr verloren. Menschen leiden unter den Auswirkungen, insbesondere dem Lärm, die vorbeifahrende Güterzüge verursachen. Wenn wir hier nichts ändern und endlich handeln, verlieren wir die Zustimmung für den ökologisch-sinnvollen Verkehrsträger Schiene. Für die SPD ist die Zeit vorbei, in der der Lärmschutz auf die lange Bank geschoben wird. Zu unserem Infrastruktur-Konsens gehört die spürbare Entlastung der Bürgerinnen und Bürger vom Güterverkehrslärm. Die von der Deutschen Bahn AG angekündigte Selbstverpflichtung, den Lärm des Schienenverkehrs bis 2020 zu halbieren, reicht uns allein nicht aus.
Wir werden den Lärm halbieren – in der Hälfte der Zeit. In 4 Jahren (statt in 8) halten wir dieses Ziel für realistisch. Allein durch den Austausch von Bremsen in Güterwägen kann der Lärm um 10 Dezibel reduziert werden. Das entspricht einer Verminderung der Lärmwahrnehmung um die Hälfte. Nach einer Wahlperiode wollen wir uns an den Taten nicht an den Worten messen lassen.
Auf zentralen Korridoren ist die Kapazitätsgrenze des Schienennetzes bereits heute erreicht. Eine Verlagerung weiterer Verkehre auf die Bahn ist nur möglich, wenn die Schieneninfrastruktur ertüchtigt und, wo nötig, ausgebaut wird. Hier muss der Lärmschutz eine zentrale Rolle spielen, nicht nur beim Neubau, sondern auch an bestehenden Trassen und an den Fahrzeugen. Besonders die Schienengüterverkehrsflotte muss zügig und effektiv umgerüstet werden. Es ist ganz klar: Mehr Verkehr auf der Schiene geht nur mit mehr Lärmschutz!
Hier reicht eine einfache Abschaffung des Schienenbonus aber nicht aus. Zumal diese Abschaffung nur für neue Strecken gilt und bestehende unberührt lässt. Die schwarz-gelbe Koalition hat in den letzten Jahren für den Lärmschutz nichts Wirkungsvolles unternommen. Bundesverkehrsminister Ramsauer hat sich dem Thema nicht angenommen und keine eigenen Initiativen gestartet. Alle laufenden Initiativen hat er von seinen Amtsvorgängern geerbt. Der Verkehrsminister hat den Lärmschutz nicht zur Chef-Sache auf der europäischen Ebene erklärt, obwohl die Belastungen durch den Güterverkehr eine europäische Antwort dringend benötigen. Das musste selbst das Verkehrsministerium auf die parlamentarische Anfrage der SPD zugeben.
Durch eine Umrüstung der Schienengüterfahrzeuge auf lärmmindernde Bremsen kann verhindert werden, dass Lärm überhaupt erst entsteht. Ziel muss es daher sein, dass bis 2018 alle in Deutschland verkehrenden Güterfahrzeuge mit lärmarmer Bremstechnik, d.h. K-Sohlen (Komposit) oder LL-Sohlen (low noise, low friction) ausgerüstet werden.
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Die Umrüstung der DB-eigenen Güterwagen (97.000) muss innerhalb der nächsten Legislatur erfolgen. DB-Schenker hat derzeit Kurzarbeit angemeldet: Deshalb sind die Kapazitäten da, um mehr Beschäftigung mit mehr Lärmschutz zu verbinden. Planmäßig gehen Güterwagen alle 6 Jahre in die Revision, außerplanmäßig gehen sie 3 mal jährlich in die Werkstatt. Theoretisch könnten alle Wagen zügig umgerüstet werden, wenn die Bremsklötze standardmäßig beim Wechseln gegen die LL-Sohle ausgetauscht würden.
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Wir wollen die Umrüstung von Güterfahrzeugen durch finanzielle Zuschüsse unterstützen. Hierfür ist ein zeitlich begrenzter Einsatz eines Teils der Bundeshaushaltsmittel für die Lärmsanierung zum Zwecke der Umrüstung von Fahrzeugen sowie ein zusätzlicher Einsatz europäischer Mittel aus der „Connecting Europe Facility“ nötig.
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Alle Wagenhalter brauchen einen stärkeren wirtschaftlichen Anreiz für eine zügige Umrüstung. Deshalb wollen wir den Ausbau des Systems der lärmabhängigen Trassenentgelte auf der Grundlage der europarechtlichen Möglichkeiten durch im zeitlichen Verlauf kontinuierlich ansteigende Trassenentgelte (Spreizung der Trassenpreise / zusätzliche Bonusstufen etc.).
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Innerhalb der kommenden Legislatur soll ein europäisches Verbot von Graugussbremssohlen durchgesetzt werden. Spätestens ab 2020 sollen keine graugussgebremsten Güterwagen mehr zulässig sein. Möglich wäre bis dahin auch eine Verschärfung des Ordnungsrechts: Nachtfahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen und Nachtfahrverbote nur für laute Güterzüge.
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Auf europäischer Ebene muss der Lärmschutz zur Chefsache gemacht werden: Es braucht EU-weit ein vergleichbares lärmabhängiges Trassenpreissystem, die Kofinanzierung von Umrüstprogrammen und das Festlegen verbindlicher Lärmgrenzwerte für Bestandswagen.
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Die SPD wird die Mittel für die Lärmsanierung auf 200 Mio. Euro/Jahr verdoppeln, wie es in unserem Wahlprogramm steht. Wir fördern den Einsatz innovativer Lärmschutzmaßnahmen. Die „Flüsterbremse“ ist eine wichtige Innovation, nicht aber das Ende der technischen Entwicklung. Innovative Maßnahmen am Gleis sind erprobt, sie müssen zeitnah rechtlich zugelassen werden und lärmreduzierende Techniken müssen weiterentwickelt werden