Montag, 19. Oktober 2009
Portrait von Florian Pronold Der Landesvorsitzende der BayernSPD, Florian Pronold, im jetzt.de Interview:
In Stellenanzeigen wird von Bewerbern einiges verlangt: Teamfähig sollen sie sein, flexibel und zuverlässig. Doch wie wichtig sind Schlüsselqualifikationen im Job wirklich? Wir fragen bekannte Persönlichkeiten. Diesmal: Bayern-SPD-Chef Florian Pronold (36) über Führungskompetenz.
jetzt.de: Florian, seit Juli bist du bayerischer SPD-Chef. Ist man als Führungsperson automatisch einsamer Einzelgänger oder eher sozialer Leitwolf, der für das Wohl seines Rudels sorgt?
Florian Pronold:Ich pflege einen sehr kooperativen Führungsstil und versuche zu überzeugen statt Anweisungen zu geben. Aber ich bin mir schon darüber bewusst, dass man in diesem Amt sehr schnell einsam sein kann.
Bereitet dir die neue Verantwortung schlaflose Nächte?
Wenn ich wegen der Verantwortung schlaflose Nächte hätte, wäre ich fehl am Platz. Außerdem haben wir in der SPD ja eine demokratische Entscheidungsstruktur, ich brauche also für jede Entscheidung eine Legitimation durch ein Gremium. In einem Unternehmen mag das anders sein, da haben Vorstandsvorsitzende viel größere Freiheiten als ich sie habe. Aber es ist natürlich auch klar, dass ich als Landesvorsitzender der Bayern-SPD für jede Entscheidung den Kopf hinhalten werde.
Was verstehst du unter Führungskompetenz?
Führung darf nie von oben nach unten gehen, sondern muss immer ein Kommunikationsprozess bleiben. Egal ob in einer Firma oder in einer Partei: Wenn Führungskräfte auf Kritik der Arbeitnehmer oder Kollegen wie beleidigte Leberwürste reagieren, dann wird die Zusammenarbeit nicht funktionieren. Es geht nur mit Vertrauen und indem man versucht, auch als Führungskraft offen für Kritik zu bleiben und sich nicht nur mit Ja-Sagern zu umgeben. Man kann Kritik zwar zurückweisen, aber nur dann, wenn man sich damit auseinandergesetzt hat.
Wie schützt du dich konkret davor, eine Führungsarroganz zu entwickeln, die ja vielen Chefs nachgesagt wird?
Indem ich versuche, meinen Freundeskreis aufrecht zu erhalten, der meiner Politik gegenüber kritisch ist. Das sind Menschen, die nicht unmittelbar in den politischen Prozess eingebunden sind und mutig genug sind, mir ihre Kritik auch mitzuteilen.
Florian Pronold, 36, ist seit Juli 2009 Nachfolger von Ludwig Stiegler als Landesvorsitzender der Bayern-SPD. Von 1999 bis 2004 war er Bayerns Juso-Chef und sitzt seit dem Jahr 2002 als Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Pronold ist ausgebildeter Bankkaufmann und nach einem Rechtswissenschaftsstudium als Anwalt zugelassen.
Magst du den Begriff Autorität?
Ich lehne den Begriff nicht grundsätzlich ab. Aber ich unterscheide, ob jemand nur über Autorität verfügt, weil er einen bestimmten Status hat oder eine Uniform trägt, oder ob jemand eine natürliche Autorität hat. Darunter verstehe ich, dass jemand überzeugend argumentieren kann und ausstrahlt, dass er kompetent ist. Diese Art von Autorität halte ich für sehr wichtig.
Als 36-Jähriger bist du deutlich jünger als die meisten deiner Parteigenossen. Gibt es da kein Autoritätsproblem?
Wie in den meisten gesellschaftlichen Bereichen tun sich auch in der Politik jüngere Menschen besonders schwer, sich durchzusetzen. Aber das erschreckt mich mittlerweile nicht mehr.
Deine Kindheit im ländlichen, CSU-geprägten Niederbayern scheint dich abgehärtet zu haben.
In erster Linie hat es wohl eher damit zu tun, dass meine Mutter früh gestorben ist und ich mich deshalb mit zwölf, dreizehn Jahren schon sehr stark in der Verantwortung gefühlt habe. Aber wenn man in dieser Gegend Bayerns aufwächst, ist man vielleicht schon aus einem etwas härteren Holz geschnitzt als andere.
Wurdest du autoritär oder eher anti-autoritär erzogen?
Weder noch. Meine Eltern haben mir zwar sehr klare Grenzen gesetzt, aber sie haben mir den Sinn jeder Regel sehr genau erklärt und es durfte auch darüber diskutiert werden.
Den ursprünglich vereinbarten Termin für dieses Interview habe ich total verschwitzt, was mir immer noch sehr peinlich ist. Mit welchen Konsequenzen hätte ich für diese Unzuverlässigkeit zu rechnen, wenn du mein Chef wärst?
Mit gar keinen Konsequenzen, denn niemand ist frei von Fehlern.
Du darfst ruhig ein bisschen strenger mit mir sein. Ich komme auch aus Bayern, ich halte das schon aus.
Wenn einmal etwas schief läuft, dann: Schwamm drüber! Erst wenn ich merken würde, dass sich so etwas wiederholt, würde ich dir eine Ermahnung geben – also keine Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern ein vernünftiges Gespräch unter vier Augen. Wenn sich solche Dinge dann immer noch wiederholen, dann müsste man natürlich Konsequenzen ziehen. Das gehört leider auch zu den Aufgaben einer Führungskraft.
Zu diesen Aufgaben gehört es auch, delegieren zu können. Oder etwas provokant ausgedrückt: Wenn man erstmal oben auf der Karriereleiter angekommen ist, kann man sich zurücklehnen.
Nein, die Arbeit verschiebt sich ja nur. Gerade jetzt im Wahlkampf bin ich viel unterwegs und muss daher delegieren. Das ist etwas, das ich anfangs erst lernen musste, weil ich – wie viele andere Menschen auch – oft der Meinung war, dass ich die Dinge lieber selber mache, damit sie gelingen. Mittlerweile fällt es mir aber leicht zu delegieren, weil ich in meinen Abgeordnetenbüros ganz hervorragende Mitarbeiter habe.
Die Tradition der eher autoritären Alphatiere in der SPD ist ja sehr groß. Man muss sich nur mal die SPD-Kanzler ansehen: Brandt, Schmidt, Schröder. Fehlt dir dieses Alphatier-Gen?
Jeder Mensch ist eigen und jede Zeit bringt ihre eigenen Persönlichkeiten hervor. Ein Barack Obama hätte in den USA vor zehn Jahren womöglich nichts bewirkt, da sein Politikstil nicht dem Zeitgeist entsprochen hätte. Jetzt lässt sich dieser Stil leichter durchsetzen, weil er besser in die heutige Zeit passt.
Mal unabhängig vom Zeitgeist: Muss man ein Machtmensch sein, um sich in Führungspositionen zu behaupten?
Man darf jedenfalls kein Problem mit Macht haben, man darf keine Angst davor haben, auch in schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen und man muss mit Anfeindungen umgehen können.
Und, bist du ein Machtmensch?
Ich möchte jedenfalls Macht erlangen. Denn ich habe politische Zielsetzungen, die sich nur dann durchsetzen lassen, wenn ich in einer einflussreichen Position bin.
Zum Beispiel in der Position des bayerischen Ministerpräsidenten.
Für mich ist Macht kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Wenn ich also nicht selbst Ministerpräsident werde, aber dazu beitragen kann, dass die SPD in Bayern wieder den Ministerpräsidenten stellt, bin ich auch zufrieden. Trotzdem gefällt mir die Variante besser, selber Ministerpräsident zu werden.
Wenn dein Vorgänger Ludwig Stiegler aufgetreten ist, hat sein legendärer roter Pullunder sofort signalisiert: Da kommt der Chef. Wodurch symbolisierst du deine Führungsrolle?
Ich finde nicht, dass ich etwas tun sollte, was nicht in meinem Wesen liegt. Deshalb habe ich den Ludwig Stiegler auch nicht darum gebeten, mir seine 44 roten Pullunder zu vermachen. Viel wichtiger als mein eigenes Image ist mir sowieso das Image der SPD – und das ändere ich nicht durch einen roten Pullunder.
Text: Andreas Glas
Quelle: jetzt.de