Pressebericht von Kassian Stroh vom 03.01.2006, Süddeutsche Zeitung.
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München – Am Anfang steht die Analyse, und sie lässt kaum ein gutes Haar an der bayerischen SPD. Regelmäßig diskutiere sie nach ihren Wahlschlappen, wie sie die Übermacht der CSU im Freistaat überwinden könne, heißt es zu Beginn des 15-seitigen Diskussionspapiers. Doch großteils seien die Debatten „wirkungslos verpufft“ und „Ausdruck einer mentalen Blockade der Partei“. Das schreibt nicht irgendwer, sondern Florian Pronold, immerhin SPD-Landesvize. Er hat sich mit einer Reihe gleichgesinnter junger SPD-Mitglieder zusammengesetzt, um eben diese Blockade zu überwinden. „Next Generation“ nennt sich das Projekt. Das klinge doch ein bisschen nach dem „Raumschiff Enterprise“, mit dem er aufgewachsen sei, sagt der 33-jährige Pronold und fügt grinsend an, der Grundgedanke sei ja auch derselbe: „sich als Team den Gefahren in fremden Galaxien stellen und sie bewältigen“. Schließlich wird den Genossen doch immer wieder nachgesagt, der Freistaat sei für sie in Wahrheit eine fremde Galaxie.

Ist er nicht, glaubt Pronold. Der Herbst habe gezeigt, dass die Vorherrschaft der CSU nicht gottgegeben sei. Und wenn man über die Grenze nach Salzburg blicke, wo die Genossen 2004 erstmals seit dem Krieg die regierenden Konservativen ablösten, sehe man, wie man „in 10, 15 Jahren eine solche Situation auflösen kann“. Doch das setzt für den Parteivize ein „strategisches Projekt“ voraus, das von Jungen getragen werde, „die auch das Interesse haben, die Realisierung noch selbst zu erleben“. Die „Next Generation“ eben, die Pronold zu einer „verschworenen Gemeinschaft“ trimmen will.

In Bayerns SPD klafft eine tiefe Lücke hinter der derzeitigen Führungsgeneration. „Stark besetzt sind die Jahrgänge 50 plus“, sagt Landes-Chef Ludwig Stiegler, der selbst schon 61 ist. „Wenn ich die aber wegdenke, wird das Netz sehr dünn.“ Umso wichtiger sei es, nun ein Netzwerk der Jungen zu knüpfen. Der oberste Knüpfer soll Pronold sein. Er ist der kommende Mann der bayerischen SPD; in deren Führungsriege ist eigentlich nur noch die Frage, ob der Niederbayer 2007 oder 2009 den Landesvorsitz übernimmt. Seit drei Jahren sitzt der frühere Juso-Landesvorsitzende im Bundestag, dort ist er seit kurzem auch in den Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion gewählt worden. „Gscheit, frech, konfliktstark“, preist Stiegler seinen Stellvertreter. Und: Pronold könne Menschen begeistern und motivieren, sagt Stiegler. „Er ist das größte politische Talent der Bayern-SPD, das ich kenne.“

Im vergangenen Jahr hat Pronold versucht, sich als Gegenpart zu CSU-Generalsekretär Markus Söder zu profilieren. Jede seiner Pressemitteilung wolle er binnen kurzem kontern, gab Pronold als Devise aus. Im Wahlkampf zog er des öfteren ordentlich vom Leder – ganz in der Tradition seines Mentors Stiegler. Etwa wenn er Söder als „Geisterjäger“ titulierte oder mit dem Kompliment bedachte: „Jeden Tag blöder: Markus Söder“. Ob Pronold jedoch für einen SPD-Vorsitzenden volksnah genug ist, daran hegt manch ein Genosse Zweifel. Bei der Bundestagswahl etwa holte der Jungpolitiker gerade mal 22 Prozent der Erststimmen in seinem Wahlkreis Rottal-Inn.

Für die „Next Generation“ will Pronold in den nächsten Jahren in jedem Bezirk zehn junge Genossen finden und aufbauen, die in der Lage seien, auf Landes- oder Bundesebene Mandate auszuüben. Flankiert werden soll das mit einer strategischen inhaltlichen Ausrichtung. Drei Schwerpunkte müsse die SPD setzen und zuspitzen, um in Bayern Wahlen gewinnen zu können, sagt Pronold. An erster Stelle stehe die Sozialpolitik. „Die CSU ist in der Ichlinge-Generation dabei, das Soziale in Frage zu stellen“, sagt Pronold. „Das geht an ihre Mehrheitsfähigkeit.“ Zum zweiten die Frauenpolitik: Hier habe die CSU große Defizite, meint Pronold – allerdings fehlt es auch der „Next Generation“ noch an weiblichen Galionsfiguren. „Da liege ich denen dauernd in den Ohren, dass man auch hochprofilierte junge Frauen braucht“, sagt Stiegler.

Schließlich will Pronold auf dem Feld der Wirtschaftspolitik punkten. Denn die Staatsregierung, klagt Pronold, lasse Teile Ostbayerns wirtschaftlich regelrecht ausbluten. Was Pronold interessanterweise nicht zum Schwerpunkt erklärt, ist die Bildungspolitik, auch wenn die seinen Genossen im Landtag sehr am Herzen liegt. Bildung sei für ihn nur in Verbindung mit sozialer Gerechtigkeit ein Thema, sagt der SPD-Vize. Wenn es also um gerechte Bildungschancen geht. „Ansonsten ist das in Bayern kein wahlentscheidendes Thema.“ Auf innerparteiliche Konflikte hat Pronold sich eingestellt, er kontert sie mit dem„Next-Generation“- Credo: „Wir müssen klare Schwerpunkte setzen, um Wahlen zugewinnen – jenseits politischer Vorlieben.“

Den Anfang macht nun besagtes 15-Seiten-Papier, das er in zehn Tagen auf der SPD-Klausur in Irsee präsentieren will. „BayernMorgenRot“ ist es überschrieben; Kernstück ist ein langer Fragenkatalog zur politischen Situation in Bayern. Damit wollen die Macher der „Next Generation“ eine „Zukunftsdiskussion“ in ihrer Partei anstoßen.