Welche Impulse will die Bundesregierung setzen, um die ­Kreislaufwirtschaft zu stärken? Florian Pronold, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), nimmt dazu Stellung.

Der Verbraucher ist ein zentraler Faktor für das Gelingen der Kreislaufwirtschaft: Er muss auf geeignete Verpackungen achten und diese auch sachgerecht entsorgen. Welche Impulse kann die Politik hier setzen?

Florian Pronold: Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass alle Verpackungen, die in die gelben Tonnen und Säcke gegeben werden, auch tatsächlich recycelt werden, und zwar möglichst hier in Deutschland. Ohne Vertrauen seitens der Öffentlichkeit insbesondere in das Kunststoffrecycling wird es schwer werden, höhere Recyclingquoten zu schaffen. Jede Nachricht über illegale Deponien mit vermeintlichem „deutschem Plastikmüll“ in Afrika oder Asien ist da kontraproduktiv. Auch deshalb haben wir uns international dafür eingesetzt, den Export von Kunststoffabfällen deutlich zu begrenzen und besser kontrollierbar zu machen. Damit mehr Vertrauen entsteht, ist es genauso wichtig, dass der Handel und die Dualen Systeme transparent machen, inwieweit Kunststoffe tatsächlich recycelt werden. Die Dualen Systeme sind dazu nach dem neuen Verpackungsgesetz sogar ausdrücklich verpflichtet. Daneben betreiben auch private Initiativen wie zum Beispiel die geTon wertvolle Aufklärungsarbeit.

In einzelnen Bereichen werden ­Mindestquoten für Rezyklatgehalte in Verpackungen als sachdienlich ­beschrieben. Wie ist Ihre Haltung?

Pronold: Wir brauchen Mindeststandards für Rezyklate und wir werden bei bestimmten Kunststoffprodukten auch über Vorgaben zu einem Mindestanteil von Rezyklaten reden müssen. Das tun wir bereits mit den betreffenden Herstellern und auch Handelsunternehmen – im Rahmen des Runden Tisches mit dem Handel und der Rezyklatinitiative von Bundesumweltministerin Schulze. Deren Ergebnisse werden wir demnächst vorstellen. Zudem setzen wir uns auch auf europäischer Ebene für verbindliche Vorgaben zur Verpackungsgestaltung ein, die letzten Endes auch Rezyklateinsatzquoten beinhalten können.

Ein Händler hielt es für möglich, dass recyclinggerechtes Design und Recyklatanteil künftig zur Voraussetzung für eine Produktlistung werden könnten. Wie stehen Sie hierzu?

Pronold: Wir werden in naher Zukunft weit mehr Kunststoffverpackungen und Produkte aus Rezyklaten auf dem Markt haben. Die werden entweder anteilig oder auch vollständig aus solchen Sekundärkunststoffen bestehen. Insofern ist es gut, wenn der Handel demgegenüber eine große Offenheit zeigt.

Aus Industrie und Handel gibt es Stimmen, die Kunststoffindustrie lehne Rezyklate ab; bei der Suche nach ökologischeren, rezyklatbasierten Alternativen gebe es keine Unterstützung von Herstellern. Wie können hier Impulse gesetzt werden?

Pronold: Anscheinend besteht noch eine zu geringe Nachfrage nach Rezyklaten am Markt, weshalb die Kunststoffindustrie teilweise noch nicht darauf reagiert hat. Dies versuchen wir durch die Rezyklatinitiative des Bundesumweltministeriums zu verbessern. Dazu muss zunächst einmal die öffentliche Hand mehr Produkte mit einem hohen Rezyklatanteil nachfragen. Deshalb schlagen wir eine Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes vor, nach der die öffentliche Hand bei der Beschaffung von Waren zukünftig Produkte aus Rezyklaten zu bevorzugen hat. Außerdem fördern wir mit dem Verpackungsgesetz seit Anfang dieses Jahres die Verwendung von Rezyklaten in Verpackungen, da diese bei der Systembeteiligung anschließend zu finanziellen Vorteilen führen.

Wie können ganz allgemein Anreize für Verpackungshersteller gesetzt werden, eine höhere Recyclingfähigkeit schon beim Design ihrer Verpackungen zu berücksichtigen?

Pronold: Das Umdenken hat bereits begonnen. Der Verpackungsverbrauch und die ökologische Verpackungsgestaltung sind in der Wirtschaft jetzt endlich wieder ein Thema. Große Lebensmitteldiscounter haben mittlerweile Reduktionsziele für Verpackungen. Es gibt Drogerieketten, die verstärkt Verpackungen aus Rezyklaten anfordern. Und das ist erst der Anfang. Im Oktober werden wir beim Runden Tisch mit dem Handel noch weitere konkrete Initiativen für weniger Verpackungen und weniger Wegwerfartikel vorstellen.
Das alles ist ein Ergebnis des neuen Verpackungsgesetzes und der darin vorgesehenen ökologischen Gestaltung der Entgelte für die Dualen Systeme und der stärkeren Überwachung der Verpackungs- und Recyclingmengen. Dafür haben wir das Verpackungsregister geschaffen. Es gibt mittlerweile fast 200.000 Firmen, die sich im Verpackungsregister eingetragen haben. Das sind dreimal so viele Unternehmen wie vor dem Gesetz. Außerdem sind die Verpackungsmengen, die bei den dualen Systemen im 1. Halbjahr 2019 angemeldet wurden, gegenüber dem Vorjahreshalbjahr gestiegen. Ebenfalls wichtig: Nachdem die Zentrale Stelle Verpackungsregister zusammen mit dem Umweltbundesamt im letzten Jahr eine erste Orientierungshilfe vorgelegt hat, werden wir im September den ersten offiziellen Mindeststandard für die Recyclingfähigkeit von Verpackungen haben. Für die Wirtschaft ist es dadurch viel einfacher, verstärkt auf eine bessere Recyclingfähigkeit ihrer Verpackungen zu achten.

Gibt es genügend Initiativen in Bezug auf die Materialforschung? Welche Maßnahmen sind erforderlich, dieses wichtige Thema weiter zu intensivieren?

Pronold: Der Forschungsbedarf ist weiter groß. Die Circular Economy Initiative Deutschland leistet hier unter anderem einen wichtigen Beitrag. Generell halte ich ein konzertiertes Vorgehen für wichtig, damit wir eine Materialforschung hinbekommen, die tatsächlich zu weniger Verpackung und mehr Umweltfreundlichkeit führt. Bis heute gibt es zum Beispiel kaum biobasierte Kunststoffe, die das einhalten, was sie vorgaukeln, nämlich umweltfreundlich zu sein.

Die Schwarz-Gruppe bereitet ein eigenes Recycling-System vor. Ist dies sinnvoll?

Pronold: Wir brauchen wirtschaftlich starke, innovative Unternehmen für die Rücknahme der Verpackungsabfälle und damit die Dualen Systeme. Sie sind mit dafür verantwortlich, dass die neuen, wesentlich höheren Recyclingquoten erfüllt werden und die Qualität der Sekundärkunststoffe hoch ist. Wichtig ist auch, dass die Unternehmen beim Einsammeln und der Entsorgung von Verpackungsabfällen eng mit den Kommunen kooperieren. Das ist der Maßstab, den wir als Gesetzgeber vorgeben. Ansonsten obliegt die Aufsicht dieser Unternehmen den Ländern und auch dem Bundeskartellamt. Letzteres wird darauf achten, dass sich auch neue Duale Systeme in der Hand von Handelsunternehmen strikt an die Regeln eines fairen Wettbewerbs halten werden.

Die kommunale Müllentsorgung entspricht weitgehend nicht dem aktuellen Stand der Technik, hier wird Müll in aller Regel unsortiert verbrannt. Allerdings fehlt es den Kommunen an Mitteln, die Müllverarbeitung zeitgemäß aufzubauen. Was ist hier zu tun?

Pronold: Wir sind gerade dabei, den Kommunen eine neue ­Finanzierungsquelle für die Entsorgung von Abfällen in ihren öffentlichen Sammelbehältern und die ­Reinigung ihrer Straßen und Parks zu schaffen. Und zwar auf der Grundlage der neuen EU-Einwegkunststoff-Richtlinie. Demnach sind Hersteller von Einweg- oder Wegwerfartikeln künftig an Reinigungs- und Entsorgungskosten im öffentlichen Raum zu beteiligen. Diese erweiterte Herstellerverantwortung gilt für Fast-Food-­Verpackungen, Getränkebecher, leichte Kunststofftragetaschen sowie für Zigarettenfilter. Das Bundesumweltministerium wird im ersten Schritt im Kreislaufwirtschaftsgesetz die Rechtsgrundlage für eine spätere Verordnung zur Kostenbeteiligung von Herstellern typischer Wegwerfartikel an der kommunalen Stadtreinigung schaffen. Wie hoch dieser ausfällt, hängt nicht zuletzt vom Anteil der Wegwerfartikel in den öffentlichen Abfallbehältern, auf den Straßen und Parks ab. Dazu nimmt der VKU jetzt eine deutschlandweite Untersuchung vor.

Quelle: Online-Themenportal „Packaging 360°“